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Das Internet ist ein weltweit nutzbares Medium mit jederzeitiger Verfügbarkeit. So ist es in den letzten Jahren immer wieder Gegenstand kritischer Diskussionen im Hinblick auf Rechts-, Angebots- und Sicherheitsfragen gewesen.
Außerdem ergeben sich Fragen, die sich mit den gesellschaftlichen Auswirkungen des Mediums Internet beschäftigen, wie zum Beispiel die Veränderungen des sozialen Verhaltens vor allem bei jugendlichen Nutzern, die in einer Phase ihres Lebens stehen, in der Selbstfindung und Selbstdarstellung eine große Rolle spielen (vgl. Kiepas 2006, S. 13).
Eine Möglichkeit der Selbstdarstellung bietet die Internetplattform YouTube, Dort werden Fernsehausschnitte, Musikvideos und selbstgedrehte Filme eingestellt, die weltweit aufrufbar sind.
YouTube (Tube: Röhre; umgangssprachlich für Fernsehen; Deutsche Übersetzung: „Du sendest“) wurde mit dem Slogan „broadcast yourself“ (Strahle dich selbst aus) am 15.02.2005 von drei ehemaligen Pay-Pal-Mitarbeitern in San Bruno (Californien) gegründet. Täglich werden 65000 neue Videos zur Ansicht freigegeben und zwei Milliarden kostenlos hochgeladene Clips können täglich bei YouTube angesehen werden.
Doch was motiviert Nutzer des Portals intime Momente, Alltagssituationen, soziales Umfeld, Meinungen und Körper zu konsumieren oder darzustellen?
Zunächst bietet seinen Nutzern YouTube eine Vergleichsmöglichkeit. Die konsumierten selbstgedrehten Videos zeigen, wer man ist, wer man nicht ist oder wer man sein möchte. Es ist eine Art Spiegel, in dem man sich als Persönlichkeit wiederfindet oder komplett verliert.
Die Videodarstellungen zeigen, ob wir der „YouTube-Norm“ entsprechen oder nicht. Denn Individuen richten ihre Handlungen nicht nach den innerlichen Werten und Normen, sondern orientieren sich an den Maßstäben in der Welt des Internets, die Auskunft über ein „normales Verhalten“ gibt, ohne Zwang und Vorschrift (vgl. Schroer 2005, S. 215)
YouTube biete die Möglichkeit in neue Rollen zu schlüpfen, sich als komplett anderer Mensch zu repräsentieren, um sich durch parasoziale Interaktionen Aufmerksamkeit zu erzeugen. Die selbstgedrehten Videos können mit Kommentaren versehen werden, sodass jeder Zuschauer sein Urteil über das Gesehene abgeben kann. Der Akteur der Videos kann sich somit von einem unsichtbaren Publikum anonym eine Wertung über seine Aktion einholen, um seine Wirkung und Beliebtheit zu testen.
Doch YouTube bietet nicht nur eine Plattform für „Identitätsflüchtlinge“, sondern stellt auch das „wahre Leben“ zur Schau, in dem Menschen mit Süchten, Krankheit, Tod und Leid kämpfen und die Nutzer an Hochzeits,- Geburts- und Familienfestmomenten teilnehmen lassen.
Oberflächlich betrachtet bietet YouTube Information, Unterhaltung und Zeitvertreib auf Basis des Voyeurismus.
Vorteile der Nutzung sind der erleichterte Zugang zur Kultur, Erhöhung der Möglichkeit der kulturellen Aktivität, somit eine schnellere Entwicklung und Verbreitung der Kultur, Knüpfung von Kontakten, Sammeln von interkulturellen Erfahrungen und eine hohe künstlerische Freiheit (Kiepas, 2006, S. 46).
Durch die Kommentarfunktion kann ein direktes Feedback erstellt werden, was zum Beispiel bei Clips mit politischen Inhalten einen Austausch und somit auch Neuerkenntnisse mit sich bringen kann.
Bei YouTube sind es die Nutzer, die Unterhaltung erschaffen und sich in der Position von Großkonzernen befinden, um „normale“ Menschen als Berühmtheiten zu positionieren.
Dennoch machen sich viele dieser gekürten Berühmtheiten keine Gedanken, ob das von ihnen Dargestellte zu privat ist und oft werden Schamgrenzen überschritten, was sich auf das Privat- und Berufsleben auswirken kann.
Die scheinbare Unabhängigkeit von Zeit und Raum und somit die Flucht in eine andere Welt entfremdet Menschen von der realen Welt. So können soziale Kontakte leiden und ein Rückzug aus dem sozialen Umfeld vollzieht sich, was in manchen Fällen zur Vereinsamung führen kann (Kiepas 2006, S. 46).
Quellen:
Kiepas, A./Zydek- Bednarczuk, U. (2006): Informationsgesellschaft und Kultur. Internet- Globale Kommunikation- Identität. Trafo, Berlin
Schroer, M. (2005): Soziologie des Körpers. Suhrkamp, Frankfurt
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